Frühförderung und Lernförderung für Kinder: Buch vorlesen statt Lerndruck

Warum das Vorlesen so wichtig ist und wie sie es zum Erlebnis machen

Auch wenn wir in unserem Ratgeber in erster Linie auf die Lernförderung für etwas größere Kinder eingehen möchten, sollen die breiten Möglichkeiten, die unter dem Begriff „Frühförderung“ zusammengefasst sind, nicht unerwähnt bleiben.

Unter dem Wort „Frühförderung“ versteht man Leistungsangebote an Eltern von Kindern mit Behinderung oder Beeinträchtigung im Alter von 0 bis sechs Jahren, die den Zweck verfolgen, dass das Kind im bestmöglichen Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

Die Frühförderung soll dabei als ganzheitliches Konzept fungieren und sowohl geistige, motorische, sozio-emotionale und sprachliche Fähigkeiten fördern.

Wann sollte ein Kind gefördert werden und was macht keinen Sinn?
Foto von cottonbro von Pexels

Ausschlaggebender Grund für eine frühkindliche Förderung ist oftmals ein Arztbesuch, bei dem der Kinderarzt feststellt, dass das vorgestellte Kind in seiner Entwicklung verzögert ist und/oder eine Behinderung aufweist. Die U-Untersuchungen, die vom Säuglingsalter an durchgeführt werden, sind unter anderem dazu da, frühzeitig festzustellen, wenn in der Entwicklung etwas nicht gewöhnlich verläuft und eine Frühförderung nötig ist.

Grundsätzlich gilt, dass je früher Entwicklungsstörungen, Auffälligkeiten, Beeinträchtigungen oder Behinderungen diagnostiziert werden, desto besser kann geholfen und gefördert werden.

Ganz gleich ob beim Erlernen der Sprache, die für die weitere Entwicklung eines Kindes maßgeblich ist, oder bei Beeinträchtigungen in der Motorik: Frühförderung beginnt dort, wo der Nachwuchs Schwierigkeiten aufweist und hat zum Ziel, die Probleme zu beheben oder dementsprechend abzumildern, um dem Kind für den weiteren Lebensweg die besten Chancen einzuräumen.

Doch nicht nur krankheitsbedingte Handikaps sind ausschlaggebender Grund, seinen Nachwuchs frühzeitig fördern zu lassen. In der Lernförderung, auf die wir im weiteren Artikel näher eingehen werden, soll Ihr Kind bestmöglich auf die Schule vorbereitet werden. 

Lernförderung: Wo sie beginnt und was sie beinhaltet

In den letzten Jahren wurde oft diskutiert, ob die Förderung von Kindern womöglich nicht früh genug beginnt. So stehen mittlerweile schon Englisch und Rechnen auf dem Tagesplan der Kleinsten. Auch der Schriftspracherwerb geht manchen Eltern nicht schnell genug. Dabei würde es unter Umständen reichen, den Kindern durch regelmäßiges Vorlesen den Spaß am Buch zu vermitteln.

Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung, fasst dies so zusammen:

Sinnvoll sei es, den Nachwuchs bereits ab dem Alter von einem Jahr an Lesemedien heranzuführen. „In diesem Alter sollten sie aber noch keine Buchstaben pauken. Vielmehr sollten die Eltern die Neugier der Kinder durch Vorlesen, Geschichtenerzählen und gemeinsames Betrachten von Bilderbüchern wecken.

Quelle: http://www.focus.de

Zwar gilt, dass das aktive Lesen besser durch die Schule vermittelt werden kann, allerdings ist gerade die Tagesmutter oder der Tagesmvater oft als pädagogischer Ersatz der Eltern zu sehen. Genau hier ist es hilfreich, wenn auch das tägliche Vorlesen zum Ablaufplan in der Kinterbetreuung gehört.

Pauken sollten kleine Kinder zuhause nicht müssen. Der Schulalltag beginnt früh genug.

Besonders geeignet sind auch die „Lesestart-Sets“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das Programm zur Sprach- und Leseförderung richtet sich schon an die Kleinsten und bietet Alltagstipps rund ums Vorlesen und Büchergeschenke für die Kinder. Auf der Webseite des Programmes lassen sich teilnehmende Ärzte und Büchereien finden, wo das Set bezogen werden kann. Die Materialien kann man dann auch für die Tageskinder nutzen.

Die wissenschaftliche Evaluation hat gezeigt: Praktisch alle Eltern, die die Lesestart-Sets erhalten, beschäftigen sich mit den darin enthaltenen Materialien, zwei Drittel davon sehr intensiv. 62 Prozent der Eltern greifen Tipps auf und lesen zum Beispiel mehr und länger vor; ein Viertel der Eltern bemerkt positive Veränderungen in seiner Einstellung zum Thema und in seinem Vorleseverhalten.

Auch Vorlesen ist Lernförderung. Ihr Kind bzw. Ihre Tageskinder lernen dabei so viel mehr also nur zuzuhören und der Geschichte zu folgen. Ihre Aussprache, die Abfolge der Wörter, die Betonung: All diese Faktoren lernen dem Kind für sein späteres Leben, richtig zu kommunizieren und zu betonen.

Wichtig zu wissen: Vorlesen entschleunigt den Tag der Kleinen.

Gerade in Kinderkrippen/Kindergärten oder bei Tageseltern, wo es oft laut und wild zugeht, ist eine Ruhepause mit einfachem Zuhören eine gern gesehene Abwechslung, die in beinahe allen Fällen gut angenommen wird.

 

Vorlesen zum Erlebnis machen

Vorlesen ist nicht gleich vorlesen. Damit das Leseerlebnis für Kinder tatsächlich zum Vergnügen wird, sollten ein paar wesentliche Punkte beherzigt werden. Wir haben ein paar Faktoren für Sie zusammengefasst, die helfen können, das Lese-Erlebnis der Kinder möglichst angenehm zu gestalten:

  • Frei Auswahl des Buches
    Lassen Sie das Kind das Buch bestimmen. Dazu gehört auch, das Buch mehrmals hintereinander oder rückwärts zu lesen, wenn das Kind das möchte. Oft gibt es dem Nachwuchs auch ein gutes Gefühl, wenn Sie selber eine wichtige Entscheidung treffen können. Ideal ist ein eigenes Buchregal, aus dem das Auswählen noch einmal leichter fällt.
  • Ruhiges Umfeld
    Schaffen Sie eine Umgebung der Ruhe und ohne Ablenkungen. Ein großes Sofa ohne laute Musik und Fernseher im Hintergrund eignet sich besonders gut. Verzichten Sie auf Gespräche mit anderen Anwesenden während des Vorlesens.
  • Zeit nehmen
    Planen Sie genügend Zeit ein. Oftmals brauchen Kinder den richtigen Moment, um sich mit einem Buch zu beschäftigen. Vorlesen ist eine wichtige Ruhezeit zwischen den aktiven Spielphasen. Zeitdruck ist alles andere als ein Vorteil.
  • Rollenspiele
    Lesen Sie aktiv für die Kinder und seien sie kreativ! Wird das Lieblingsbuch langweilig? Dann bauen Sie kleine Veränderungen/Fehler ein und verwechseln einmal die Namen. Oder lesen Sie mit verstellter Stimme und mit entsprechender Dramatik. Die Kinder werden es lieben.

Wann das Vorlesen sinnvoll ist

Sich Zeit nehmen, vorlesen, erklären: Ihr Kind wird Ihnen die gemeinsame Zeit später danken.

Gerade nach aktiven Spielphasen oder generell, wenn Ihre Schützlinge sehr aufgezogen durchs Zimmer oder den Garten toben, macht es Sinn, zum Herunterfahren ein Buch hervorzuzaubern. In vielen Kindergärten kommt die Zeit des Lesens nach dem Mittagessen zum Einsatz. Die Kinder können sich im Kreis setzen oder auf Matten auf den Boden legen. Wenn ein Kind mag, darf es die Augen auch schließen und der Geschichte lauschen.

Die Erzieherin/der Erzieher sitzt in der Mitte und liest den Kindern vor. Die meisten Kinder genießen diese Rituale sehr und kommen beim Vorlesen schnell zur Ruhe. Störungen oder Unterbrechungen sollten natürlich möglichst sanft unterbunden werden. Selbige sind bei den spannenden Geschichten und einem guten Vorleser ohnehin die Ausnahme.

Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen empfiehlt, Kindern täglich rund 15 Minuten vorzulesen.

Es bewirkt, dass sie in der Schule das Lesen selbst leichter lernen und im späteren Leben lieber lesen als Kinder, die ohne diese Erfahrung aufwachsen.

Auch Eltern, die Ihren Sprösslingen zuhause vorlesen möchten, sollten sich aktiv um einen passenden Rahmen bemühen. Der Radio plärrt im Hintergrund, der Hund bellt, der Nachbar mäht den Rasen? Kein geeignetes Ambiente für ein gemeinsames Leseprojekt. Die Störfaktoren sind schlicht zu groß, Konzentration nicht möglich.

Auf die Couch kuscheln, störende Faktoren (wie Radio, Fernseher usw.) abstellen, Anwesende bitten, den Raum zu verlassen oder sich mit zur Vorlesestunde zu begeben und die gemeinsame Zeit zum ruhigen Erlebnis machen. Viele Kinder werden müde und sehr anschmiegsam und genießen die Lesezeit in vollen Zügen. Damit schöpfen alle Beteiligten Kraft.

Gute Bücher zum Vorlesen finden

Foto von Kindel Media von Pexels

Was nutzt die schönste Ruhepause, wenn dem Kind das Buch nicht gefällt? Jedes Kind hat seinen ganz persönlichen Favoriten. Selbiger kann sich jedoch erst herauskristallisieren, wenn dem Nachwuchs mehrere Bücher in einem längeren Zeitraum vorgelesen wurden. Sie werden staunen, wie hervorragend unser Nachwuchs zuhören kann.

Viele Kinder kennen jedes Wort des Lieblingsbuches komplett auswendig. Glauben Sie nicht? Lesen Sie doch absichtlich einen Satz aus der favorisierten Lektüre falsch vor. Es wird keine zehn Sekunden dauern, bis Sie mit erhobenen Zeigefinger korrigiert werden…Für uns Eltern ist die damit verbundene Begeisterung ein großes Kompliment, denn einerseits können Sie gewiss sein, das richtige Buch gewählt zu haben und andererseits erfahren Sie damit, wie wertvoll das Vorlesen für Ihren Nachwuchs ist.

Es gibt einige gute Möglichkeiten, an einen geeigneten Lesestoff zu kommen. Hier sind unsere Tipps:

©iStockphoto.com – damircudic

Topseller
Erster Anlaufpunkt können die Listen der Topseller im Buchhandel oder größeren Online-Shops sein. Leider führen die Bestsellerlisten der Buchhändler oft nur eine Trennung in Sachbücher und Belletristik. Eine Einstufung für Kinderbücher ist schwer zu finden. Daher sind die Online Händler wie Amazon oder BOL mehr zu empfehlen.  Teilweise werden die Verkaufslisten sogar stündlich aktualisiert.

Bewertungen
Persönliche Tipps von Freunden oder dem netten Buchhändler sind sehr wertvolle Quellen für Büchertipps. Als Ausgangspunkt für gute Bewertungen können auch die Beschreibungen bei bekannten Buchshops im Internet dienen. Oft finden sich darin Meinungen von anderen Eltern, die für einen selbst sehr hilfreich sein können.

Kategorisierung
Sehr nutzerfreundliche Shops wie zum Beispiel die www.elfen.de bieten in speziellen Kategorien eine Vorsortierung an. So können bei elfen.de die Bücher nach Alter gruppiert werden ( z.B. 1 bis 2 Jahre) und eine Auswahl fällt leichter. Allerdings sollte man sich im Zweifel nicht allzu starr an die Altersangaben halten. Ein 2-jähriges Kind kann sich auch schon mit Büchern für etwas ältere Kinder beschäftigen, wenn es sich für ein Thema interessiert oder selbiges sehr spannend vorgelesen wurde.

Leider ist häufig nicht viel Zeit, sich intensiv mit der Buchauswahl zu beschäftigen, denn die Vorlesezeit darf als wichtiger angesehen werden. Diese Regel gilt für Eltern wie für Betreuungspersonen gleichermaßen.

Vorlesen unterstützt die Kinder in der Entwicklung und ist wertvolle Zeit mit einer wichtigen Bezugsperson. Nehmen Sie sich Zeit und bringen Sie Ihren Jüngsten bei, dass es Spaß macht, sich mit einem Buch zu beschäftigen.

Damit helfen Sie Ihrem Nachwuchs auch in der späteren Schullaufbahn, ohne die Kindern im Kindergartenalter schon mit Fremdsprachen unter Druck zu setzen.

Fazit

Bücher sind eine tolle Beschäftigungsmöglichkeit für Kinder jeden Alters.

Es ist schon ein Phänomen, dass wir Eltern beinahe alle wissen, wie förderlich das Vorlesen für unsere Kinder wäre, wir uns aber oftmals doch nicht die Zeit nehmen, den Sprösslingen in regelmäßiger Manier ein Buch vorzulesen. Stress auf der Arbeit, der Haushalt muss gemacht werden, kochen müsste man auch noch, das Unkraut sprießt usw. Wer darauf wartet, dass die Umstände günstig genug sind, Zeit mit Lesen zu verbringen, wird im Berufsalltag schnell enttäuscht werden.

Doch sollten wir nicht gerade umgekehrt denken? In unserer schnelllebigen Zeit erweisen wir nicht nur unserem Nachwuchs einen Bärendienst, wenn wir ihm häufig Geschichten vorlesen. Es hilft uns auch selbst, herunterzufahren und zur Ruhe zu kommen. Sinnvolle Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, ihnen nahe sein und entspannen ist für alle Beteiligten ein großer Gewinn.

Sicher fragen Sie sich, wie oft man einem Kind vorlesen sollte, damit sich all die positiven Seiten des Lesens zeigen können.  Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen empfiehlt, Kindern täglich rund 15 Minuten vorzulesen. Es bewirkt, dass sie in der Schule das Lesen selbst leichter lernen und im späteren Leben lieber lesen als Kinder, die ohne diese Erfahrung aufwachsen.

15 Minuten sind nicht viel – aber sie bringen jede Menge Gutes! Auch das Ansehen von Bilderbüchern, das Vorlesen aus dem E-Book oder das Studieren von Wimmelbildern wird übrigens als Vorlesezeit gewertet. Statt unseren Kindern bereits im Vorschulalter das Rechnen oder Schreiben beizubringen, sollten wir uns auf das beschränken, was wirklich hilfreich für den Nachwuchs ist: Zeit mit ihm zu verbringen, vorlesen, entdecken und ein Kind Kind sein zu lasssen, solange es geht.

Bilderquelle:  ©iStockphoto.com – ssuni

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*